Teil 16: Das Sündenbekenntnis
In manch einem löst es Fragen aus und andere können es kaum ertragen:
Das Sündenbekenntnis. Es folgt in unseren Kirchgemeinden auf die Predigt und findet seinen Platz, bevor wir zum Altar treten um das Heilige Altarsakrament zu feiern.
„Ich armer, elender, sündiger Mensch“ – Warum muss man sich jedes Mal „erniedrigen“, „klein machen“, als Sünder unter Gott beugen? Freut sich Gott nicht, dass ich komme und einfach da bin? So oder so ähnlich reagieren viele Menschen auf das Sündenbekenntnis im Gottesdienst. Es wirkt wie ein Tal, durch das man immer erst hindurchmuss. Und die Frage stellt sich, warum man nicht einfach so willkommen ist im Gottesdienst, wie man ist.
Aber genau darum geht es: Weil wir so kommen dürfen, wie wir sind, dürfen wir in Gottes Gegenwart unser Leben ungeschminkt und ehrlich anschauen. Und gerade deshalb bekennen wir uns auch zu dem, was in unserem Leben des Erbarmens bedarf: Was schiefgelaufen ist, was zerbrochen ist, was der Heilung bedarf.
„Sünde“ versteht die Bibel nicht ausschließlich als eine moralische Verfehlung, vielmehr als eine Störung in unseren Beziehungen, in denen wir leben: Unsere Beziehung zu uns selbst ist gestört: Wir zweifeln an uns, finden uns nicht liebenswert. Unsere Beziehung zu dem Nächsten ist gestört: Wir haben uns gegenseitig verletzt. Unsere Beziehung zu Gott ist gebrochen.
Wir bekennen uns dazu vor der Feier des Heiligen Mahles und drücken damit unsere Hoffnung aus, dass Gott uns erlösen kann.
Das Sündenbekenntnis ist weniger eine Selbstanklage oder Selbsterniedrigung, vielmehr ein Ausdruck tiefen Vertrauens: „Nimm mein Leben wie es ist, heile es durch dein Erbarmen, deine Liebe und Vergebung, und führe es zum ewigen Leben.“ Dieses „ewige Leben“ meint nicht nur das jenseitige Leben jenseits der Todesgrenze. „Ewiges Leben“ ist vielmehr Leben in der ewigen Gegenwart Gottes. Von Gottes Gegenwart erfülltes Leben.
Die Reformation hat dieses Sündenbekenntnis zu einem gemeinsamen Bekenntnis der Gemeinde gemacht. Vorher wurde es nur vom Priester gesprochen. Er bat um Sündenvergebung, weil er als reiner Priester das Opfer darbringen musste. Die Reformation setzte es in die Mitte des Gottesdienstes nach der Predigt. Als Antwort auf die Wortverkündigung und Bereitung auf das Heilige Abendmahl.
Denn es schwingt noch etwas mit: Wir treten im Gottesdienst vor Gott! Wir wollen seine Gegenwart erfahren und ihm begegnen im Hören auf die Schrift, in der Feier des Mahles, in der Gemeinschaft der Gemeinde. Das geht nur, wenn er sich uns mitteilt, er sich unser erbarmt.
Wir machen uns mit dem Sündenbekenntnis bewusst, dass wir nun nicht mehr mit dem Alltäglichen zu tun haben, sondern mit dem Heiligen. Und dieser Heilige ist anziehend und gefährlich zu gleich, wie Feuer das wärmt und versengt.
Als Jesaja im Tempel Gott schaute, meinte er, er müsse sterben: Er war sich bewusst, dass er als ein Sünder, der Gott sieht, in seiner brennenden Gegenwart vergehen muss. Aber ein Engel kam und reinigte ihn mit einer glühenden Kohle (Jesaja 6, 1-7).
Das Sündenbekenntnis will Hilfe sein, die eigene Bedürftigkeit und Sehnsucht zur Sprache zu bringen und, wie ein kleines Stolper- und Mahnzeichen, uns bewusst machen, wer Gott ist: Der Heilige – brennend vor Liebe und brennend, Gerechtigkeit zu schaffen.