Kirchgemeinde Rothenkirchen – Wernersgrün und Ev.-Luth. Paul-Gerhardt-Kirchgemeinde Schnarrtanne – Vogelsgrün | Teil 8 – Liturgisches ABC – Luther und der Gottesdienst

Teil 8 – Liturgisches ABC – Luther und der Gottesdienst

„Bei euch in Sachsen geht es ja katholisch zu!“ Diesen Satz hörten wir als sächsische Vikare oft in der Lutherstadt Wittenberg, wenn wir im Rahmen unseres Predigtseminars den Gottesdienst nach der liturgischen Ordung unserer sächsischen Landeskirche gefeiert hatten, ohne sie „abzuspecken“.
Viele stellen sich vor, dass der protestantische, schlichte Gottesdienst ohne Abendmahl, wie er heute in Deutschland gefeiert wird, DER Gottesdienst der Reformation sei. Der entfaltete liturgische Gottesdienst mit Heiligem Abendmahl, also die Evangelische Messe, sei aber katholisch.
Der Sonntagsgottesdienst erhielt im Laufe der Kirchengeschichte verschiedene Namen. Die ersten Christen trafen sich zum Herrenmahl. Oder man ging zur Eucharistie – zur großen Danksagung, auch ein anderer Name für das Abendmahl. In der orthodoxen Kirche feiert man einfach die Göttliche Liturgie.
Im Mittelalter bildete sich dann im christlichen Abendland der Name „Messe“ heraus. (Messe leitet sich von lateinisch „Missa = Entlassung“ ab, denn am Ende werden die Feiernden in die Welt gesandt.) Auch Luther hat den Gottesdienst Messe genannt, im Unterschied zur lateinischen Messe des Mittelalters jedoch „Deutsche Messe“. Später ist im Protestantismus immer stärker der Begriff „Gottesdienst“ üblich geworden. Einziger Nachteil: Da alles, was wir in der Kirche feiern „Gottesdienst“ ist, muss man stets konkretisieren, und erklären welchen Gottesdienst man nun meint, z. B. Andacht, Predigtgottesdienst, mit oder ohne Abendmahl etc.
Das Wort „Messe“ aber bezeichnet an sich einen Gottesdienst, in dem nicht nur gepredigt, sondern auch das Heilige Abendmahl gefeiert wird.
Martin Luther war kein großer Liturg. Er konnte sich Vieles vorstellen an Gottesdienstformen. Drei Dinge waren ihm jedoch zentral für einen vor dem Evangelium verantworteten evangelischen Gottesdienst:

  1. Verständlichkeit

Der Gottesdienst soll in der Sprache gefeiert werden, die die Menschen sprechen. Die Messe auf Latein hatte nur eine besondere gebildete Schicht verstanden. Luther übersetzte nicht nur die Heilige Schrift ins Deutsche, sondern auch der Gottesdienst wurde fortan in der Muttersprache für alle verständlich gefeiert.

  1. Beteiligung der Gemeinde

Die mittelalterliche Messe konnte ohne Gemeinde gefeiert werden, weswegen der Priester die Messe oft ohne jegliche Gemeindebeteiligung vollzog.
Da christlicher Gottesdienst aber immer eine Feier der Gemeinschaft ist, war es oberstes Prinzip der Reformation, den Gottesdienst nicht nur immer in Gemeinschaft zu feiern, sondern die Gemeinde auch aktiv am Geschehen zu beteiligen. Die wichtigste Forderung war damals, dass die Gemeinde am Heiligen Abendmal teilnahm, jeden Sonntag. Im Mittelalter war es üblich, dass die Gemeinde des Herren Leib nur als Brot erhielt (sub una). Die Reformation bestand zudem auf den Gemeinschaftskelch, sodass der Herr in beiderlei Gestalt gefeiert wurde (sub utraque).
Außerdem sollte die Gemeinde durch Gesänge und Lieder in deutscher Sprache zur Trägerin des Gottesdienstes werden. Sie war fortan an allem beteiligt und sang die Gebete wie das Gloria und das Glaubensbekenntnis aktiv mit.
Luther schätzte dabei sehr die überkommenden liturgischen Gesänge der Messe und übertrug sie ins Deutsche.

  1. Zusage-Charakter des Gottesdienstes

Für Luther sollte alles im Gottesdienst den verängstigten Menschen trösten. Der Gottesdienst sollte die Verheißung des Evangeliums zum Klingen bringen und dem Gottesdienstbesucher zusagen.
Die Predigt war ihm dafür zentral: Sie sollte in verständlicher Sprache das Evangelium von Christus auslegen und den Menschen in tröstlicherweise zusprechen. Aber genauso wichtig war ihm das Heilige Abendmahl, dass für ihn selbstverständlich jeden Sonntag gefeiert wurde: Es sollte so gefeiert werden, dass jeder verstand, dass sich ihm unter Brot und Kelch Christus hingibt in Liebe und unendlicher Güte.
So kam es, dass man in der Confessio Augustana, dem Augsburger Bekenntnis, dem Grundbekenntnis lutherischer Kirche, gegenüber Kaiser und Reich 1530, im Artikel 24 behaupten konnte: Wir Lutheraner haben die Messe nicht abgeschafft, wir feiern sie viel mehr mit „größerer Andacht und Ernst“ als die „Altgläubigen“!
Luther war es in der Tat sehr wichtig, nicht einfach alles über Bord zu werfen. Vielmehr feierte er die Messe weiter, natürlich eine reformierte eine evangelische Messe. Was nicht gegen das Evangelium spricht, so war es seine Meinung, dies muss man nicht ändern.

(Betonung der Taufe, Abendmahl in beiderlei Gestalt und evangelische Predigt – das Altargemälde (Detail) der Pfarrkirche Torslunde ist eine Darstellung des lutherischen Gottesdienstes. Dänemark 1561, Maler ungenannt, jetzt im Nationalmuseum Kopenhagen.)