Kirchgemeinde Rothenkirchen – Wernersgrün und Ev.-Luth. Paul-Gerhardt-Kirchgemeinde Schnarrtanne – Vogelsgrün | Teil 5 – Liturgisches ABC – „Kerzen, Licht und Weihrauch“

Teil 5 – Liturgisches ABC – „Kerzen, Licht und Weihrauch“

Die Advents- und Weihnachtszeit ist die
Zeit der Lichter. Unzählige Schwibbögen
zieren die Fenster unserer Häuser und
Wohnungen. Auch in unseren Kirchen
zünden wir etwas mehr Kerzen und
Lichter an, als üblich. Adventssingen im
Kerzenschein, die Lichterfeier zur Mette
am 25.12., das Licht in der Krippe usw. Die
Symbolik ist selbstredend: Jesus Christus,
das Licht dieser Welt erleuchtet unser
Dunkel. Überall, wo wir im Gottesdienst
Kerzen, Licht und Leuchter gebrauchen,
stehen sie für das Licht Christi, das unsere
Herzen mit seinen Strahlen erleuchten
möchte.
Die Advents- und Weihnachtszeit ist auch
zugleich die Zeit der Gerüche. Und hier
kommt der Weihrauch ins Spiel. Was hat
es jedoch mit dem Weihrauch auf sich?
Verträgt der Gebrauch des Weihrauchs
sich mit dem evangelisch-lutherischen
Verständnis? Diese Frage sucht nach einer
Antwort.
Auf der Suche nach der passenden Antwort
müssen wir mit der Bibel beginnen:
Die Offenbarung des Johannes, das letzte
Buch der Bibel, ist ein Trostbuch für verfolgte
Christen aus dem ersten Jahrhundert
nach Christus. Immer wieder öffnet dieses
Buch den Blick in den Himmel: Das Elend
dieser Welt hat nicht das letzte Wort! Es
gibt eine andere Wirklichkeit, der wir in
der Feier des Gottesdienstes begegnen und
die einst für alle sichtbar sein wird.
So erzählt das Buch vom himmlischen
Gottesdienst: Dort sind die 24 Ältesten mit
„Schalen von Räucherwerk“ vor Gottes
Thron, die Gott loben und preisen (Offenbarung
5,8). Diese „Schalen von Räucherwerk“
sind Gefäße, in denen Weihrauch
verbrannt wird. Ihr Rauch zieht nach
oben. Er soll die Gebete der Heiligen darstellen,
die zu Gottes Thron aufsteigen.
Solche Schalen sieht man am Altar in der
Kirche in Rothenkirchen, gleich neben
dem Opferaltar (ganz oben) und den anbetenden
Engeln. Vier an der Zahl. Künstlerisch
gestaltet, war der aufsteigende Rauch
also für unsere Augen während der Feier
des Gottesdienstes schon immer vorhanden
und machte etwas offenbar, was in der
unsichtbaren Welt permanent geschieht.
Nur haben wir das mit unserem Geruch
erst dieses Jahr vernehmen dürfen, als
unsere Gemeinde an besonderen Festtagen
den Weihrauch im Gottesdienst eingesetzt
hat.

Einsatz des Weihrauch im Gottesdienst?
Für viele Evangelische ist das unvorstellbar!
Weihrauch ist (leider) in unserem
Land zu einem konfessionellen Erkennungszeichen
der römisch-katholischen
Gottesdienste geworden.
Aber wenn man ein wenig in der Bibel
liest, wird man feststellen, dass der Weihrauch
ganz selbstverständlich dazu gehört.
Die frühen Christen hatten durchaus auch
Probleme mit dem Weihrauch. Wer nämlich
das Opfer für den Kaiser verweigerte,
eine Weihrauchspende vor dem Bild des
Kaisers, musste mit Verfolgung bis hin zur
Todesstrafe rechnen.
Aber nach dem Zeitalter der Christenverfolgungen
zog der Weihrauch in den christlichen Gottesdienst ein.
In der Liturgie des Ostens wurde Weihrauch bereits
seit der Mitte des 4. Jahrhunderts verwendet.
Im Westen begegnet er zunächst in die
Tagzeitenliturgie.
Die Reformatoren hatten daran übrigens
nichts geändert. Im deutschen Luthertum
war es in vielen Gemeinden bis weit in das
18. Jahrhundert hinein eine Tradition zu
„räuchern“. Auch heute ist es in den Gemeinden
der sog. liturgischen Bewegung
(wieder) üblich, außerhalb Deutschlands
ohnehin (amerikanische Lutheraner,
Schweden u.a.).

Der Weihrauch hatte immer dreierlei
symbolisiert:
Zum einen ist sein nach oben steigender
Rauch ein Sinnbild für die Gebete der
Menschen. Die unsichtbaren Gebete der
Heiligen werden auf diese Weise symbolisch
sichtbar.
So liest man etwa in Psalm 141: Aufsteige
mein Gebet wie Weihrauch vor dein Angesicht.
Oder wie anfangs erwähnt in der
Offenbarung des Johannes.
Zum anderen ist er ein Zeichen für etwas,
was zu Gott gehört. Der Weihrauch erfüllt
z. B. den Tempel, als Jesaja Gottes Saum in
seiner großartigen Vision schaut (Jesaja 6).
Wenn das Dreimalheilig im Abendmahlsgebet
gesungen wird, wird üblicherweise
das Weihrauchfass geschwenkt. Dann wird
ganz deutlich, dass unser Gottesdienst nie
für sich allein steht, sondern immer mit
dem Lobgesang der Engel vor Gottes Thron
verbunden ist.

Auch zur Gabenbereitung, wenn Brot
und Wein auf dem Altar bereitet werden,
werden die Gaben beweihräuchert. Ein Zeichen
dafür, dass sie nun Gott dargebracht
werden und zu Gott gehören. Entscheidend
ist dabei, dass direkt darauf auch die ganze
Gemeinde symbolisch beräuchert wird: Ein
im Gottesdienst Mitwirkender stellt sich
vor die Gemeinde und schwenkt das Fass in
ihre Richtung: Mit Brot und Wein bringen
wir nämlich uns alle vor Gott dar, geben
wir uns ihm hin, halten wir unser Leben
ihm hin, um hinein genommen zu werden
in das Geheimnis seiner verwandelnden
Liebe, wie wir sie im Abendmahl erfahren.
Wir werden gereinigt und geheiligt.
Drittens ist Weihrauch ein Ehrenzeichen:
Die Weisen aus dem Morgenland schenken
dem neugeborenen Christuskind Gold,
Weihrauch und Myrrhe. Man erweist
jemandem Ehre, indem man Weihrauch
für ihn anzündet. Deswegen wird das
Weihrauchfass zum Einzug vor dem Kreuz
getragen und geschwenkt, um Christus
unter uns zu begrüßen und ihm die Ehre
zu geben. Ebenso wird der Weihrauch entzündet,
wenn das Evangelium gelesen wird:
Ein Ehrenzeichen für den im Wort des
Evangeliums gegenwärtigen Christus.

Alles spricht im Gottesdienst mit, ob wir es
wollen oder nicht. Auch Gerüche erzählen
etwas. Der Geruch des Weihrauchs macht
deutlich, dass der Raum des Gottesdienstes
etwas anderes ist als der Alltag um uns
herum. Nicht in dem Sinne einer Flucht vor
dem Alltag. Wir versetzen uns nicht in eine
schöne Traumwelt, wenn wir Gottesdienst
feiern. Sondern unser Leben, wie es ist, soll
hinein genommen und berührt werden
von der Welt Gottes. Der Geruch des
Weihrauchs möchte davon etwas sinnlich
erfahrbar machen. Weihrauch ist aus gutem
Grund auch evangelisch: Er kann uns helfen, den
Reichtum biblischer Bilder und biblischer
Sprache zu erschließen.