Teil 23: Warum dreht der Pfarrer der Gemeinde den Rücken zu?
st es nicht unhöflich, wenn der Pfarrer am Altar betet und der Gemeinde den Rücken zukehrt, die die Gemeinde nicht anschaut?
In unseren sächsischen Kirchgemeinden ist es nämlich in der Regel so: Da dreht der Pfarrer der Gemeinde den Rücken zu und betet zum Altar hin.
Nun, genau genommen dreht sich der Pfarrer gen Osten in Richtung der aufgehenden Sonne. Das ist die Gebetsrichtung der Christen von Anfang an: Die aufgehende Sonne symbolisiert den auferstehenden und vor allem den wiederkehrenden Christus und damit das kommende Reich Gottes. Immer wenn wir beten, strecken wir uns also Christus und seinem kommenden Reich entgegen! Und das ist ja Zentrum all unseres Betens: „Dein Reich komme!“ Es ist eine wunderschöne Symbolik, die aus dieser Gebetshaltung spricht! Deswegen sind in der Regel unsere Kirchen geostet, nach Osten ausgerichtet, und der Altar steht an der Ostseite der Kirche. „Wir warten dein, oh Gottes Sohn“ – dafür steht der Altar. Der Ort der Begegnung mit Gott.
Aber noch mehr ist zu bedenken: Wenn wir beten, wenden wir uns Gott zu. Wenn der Pfarrer betet, wendet er sich eben nicht der Gemeinde zu, spricht er nicht die Gemeinde an, wie etwa bei der Begrüßung, den Lesungen, der Predigt, den Abkündigungen oder dem Segen. Er stellt sich stattdessen in einer Richtung mit der Gemeinde auf und betet mit ihr in einer Richtung. Allen Skeptikern, die sich über den Rücken des Pfarrers ärgern, möchte ich sagen: Sehen Sie es nicht so, dass der Pfarrer sich von Ihnen abwendet, sondern dass er sich mit Ihnen in eine Richtung einreiht, einer von Ihnen wird und vorangeht beim Beten: Der Priester unter den Priestern der versammelten Gläubigen (Priestertum aller Getauften).
Allerdings ist das nicht das einzige Konzept, das christliche Kirchen haben: In anderen Kirchen ist der Altar in die Mitte des Raumes gestellt oder er ist ein wenig abgerückt, dass der Pfarrer auch hinter dem Altar der Gemeinde zugewandt stehen kann beim Beten.
Solche Raumkonzepte gab es auch schon in frühchristlichen Kirchen. Auch das trägt eine ebenso schlüssige Symbolik in sich: Als christliche Gemeinde ist man um den Tisch des Herrn versammelt, wenn die Gläubigen Gottesdienst feiern. Und das wird natürlich viel schöner erfahrbar, wenn der Altar nicht an der Wand steht, sondern mitten in der Gemeinde und die Gemeinde einen Kreis um den Altar bildet, bzw. wenigstens der Pfarrer auf der „anderen“ Seite steht, um den Kreis anzudeuten.
Diesem Konzept folgt z.B. die römisch-katholische Kirche seit dem zweiten vatikanischen Konzil. Wir Evangelischen haben diese Veränderung in den letzten Jahrzehnten weitgehend nicht mit unseren katholischen Geschwistern geteilt. In unseren Kirchen zelebriert der Pfarrer weiterhin zum Hochaltar hin!
Was ist nun richtig? Gen Osten, zu feiern und sich dem wiederkehrenden Christus und seinem Reich zuzuwenden? Oder sich um einen Altar herum zu versammeln, um die Gemeinschaft zu betonen, in deren Mitte Christus gegenwärtig ist?
Beides ist zentral für das Verständnis christlicher Feier: Gott ist der Jenseitige, unser Gegenüber, aber Gott ist auch der, der mitten unter uns ist, wenn wir als Gemeinschaft versammelt sind.
Viel wichtiger ist es jedoch, dass wir, jeder einzelne von uns, Jesus Christus nicht den Rücken zukehrt, ihm nicht die kalte Schulter zeigt, sondern ihn allezeit aufsucht in dem Haus, das nach seinem Namen genannt ist. Viel bedeutungsvoller ist es Gott in der Gemeinschaft mit anderen Christen zu begegnen in Gebet, in Anbetung und in Ehrfurcht.
Ihm allein gebührt die Ehre.