Teil 24: Das Kommuniongebet – „Warum bin ich es nicht wert, dass Jesus zu mir kommt?“
Bevor Brot und Wein im Heiligen Abendmahl geteilt werden, erhebt der Pfarrer die Hostie und den Kelch, dreht sich der Gemeinde zu und ruft aus: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt.“ Und dann sprechen alle gemeinsam dieses sogenannte Kommuniongebet: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“
Hast du dich auch schon einmal gefragt: Warum bin ich es nicht wert, dass Jesus nun in, mit und unter Brot und Wein zu mir geht? Hat er nicht jeden eingeladen? Waren für Jesus nicht gerade auch die, die bei anderen als unwürdig galten (der Zöllner, die Sünderin) es wert, ja sogar willkommen, an seinem Mahl teilzunehmen? Ist das so etwas wie ein Sündenbekenntnis? Noch ein Mal? Wurde dies doch schon vor der Feier des Altarsakramentes gemeinsam getan. Warum also schon wieder die eigene Sünde bekennen?
Man kann dieses Gebet nur missverstehen, wenn man nicht seinen ursprünglichen Kontext genau betrachtet. Es ist nämlich ein Zitat aus der Geschichte vom Hauptmann aus Kapernaum (Mt 8, 5-13). Dieser Hauptmann war ein stationierter Soldat der römischen Besatzungsmacht. Er war kein Jude! Einer seiner Soldaten lag schwerkrank danieder. Und dieser Hauptmann geht nun zu diesem Jesus, von dem er so vieles Gutes gehört hat: „Wenn noch einer helfen kann, dann
der!“, denkt er sich.
Als er vor Jesus steht, bittet er ihn, seinen Soldaten gesund zu machen. Und Jesus möchte gerne mit ihm in sein Haus gehen. Aber da antwortet der Hauptmann eben jenen Satz, den wir vor jedem Abendmahlsempfang zitieren: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach
gehst, aber sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.“ Er möchte Jesus davon abhalten, den ganzen Weg zu ihm nach Hause zu gehen und gar bei ihm, einem Heiden, einzukehren! Er vertraut vielmehr darauf, dass nur ein Wort von Jesus ausreicht, um seinen Knecht gesund zu machen. Das Wort „wert“ oder „würdig“, das der Hauptmann verwendet, hat keine ethische Konnotation. Er will nicht sagen: Ich bin so schlecht oder unrein, deswegen komm nicht. Er
will nicht sein eigenes Verhalten oder Handeln bewerten, sondern er will sein Verhältnis zu Jesus als dem Herrn, dem „Kyrios“, ausdrucken: Dieses besteht in einer riesigen Distanz – Dort der Herr, hier ein einfacher Mensch. Er will sagen: Ich reiche an dich nicht heran. Du bist der
göttliche Herr! Der Hauptmann weiß um seine Stellung im Angesicht von Jesus, auch wenn er
Hauptmann, der Besatzer ist.
Wir machen uns in jeder Abendmahlsfeier die Worte dieses Hauptmanns zu eigen und wie
bei ihm sind sie auch bei uns nicht als Schuldbekenntnis gemeint. (Sicherlich schwingt darin auch die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen mit, aber es ist nicht der Hauptakzent.) Wir drücken damit vielmehr aus, dass das, was wir gleich im Heiligen Abendmahl empfangen, eigentlich viel zu groß für uns ist: Es ist der göttliche Herr selbst, der sich uns in, mit und unter Brot und Wein naht!
Der Mensch kann sich niemals von sich aus Gott nahen. Nur von Gott aus ist diese Begegnung möglich, wenn ER ein heilendes Wort spricht. Nur ER kann die unüberbrückbare Verschiedenheit von Gott und Mensch überwinden.
So ist dieses Gebet Ausdruck der Demut vor Gott. Aber Demut richtig verstanden, meint nie eine Selbstdemütigung oder Selbstdegradierung! Demut im eigentlichen Sinne meint ein Erkennen und Anerkennen der Größe Gottes und eine realistische Selbsteinordnung des Menschen in der Schöpfung. Nicht der Mensch ist der Herr! Demut soll mich davor bewahren, mich auf Kosten anderer groß zu machen.
Dieses Gebet ist, wenn man so will, ein demütig staunendes Innehalten vor dem gemeinschaftlichen Teilen von Brot und Wein, ein Staunen davor,
dass der Herr selbst sich uns nun nähert und bei uns einkehren will.
Es ist übrigens die einzige Stelle in der gesamten Abendmahlsliturgie, wo wir „Ich“ sagen. Alle Gebete reden immer im „Wir“. Und alle Handlungen sind Gemeinschaftshandlungen, auch das Empfangen von Brot und Kelch, denn sie sind ja kein individualistisches Essen, sondern ein Teilen in Gemeinschaft: Wir(!) empfangen, was wir sind: Leib von Christus.
Aber in diesem einen kleinen Moment, wenn wir das Kommuniongebet sprechen, sind wir ganz bei uns und bereiten uns auf das göttliche Wunder dieses Mahles vor: Das Wort Gottes, Christus selbst erreicht uns sichtbar und schmeckbar, um unsere Seele zu heilen. So lasst uns davon in der Gemeinschaft essen und trinken, wie uns das Jesus aufgetragen hat, zu unserem Heil.