Kirchgemeinde Rothenkirchen – Wernersgrün und Ev.-Luth. Paul-Gerhardt-Kirchgemeinde Schnarrtanne – Vogelsgrün | Teil 6 – Liturgisches ABC – „Warum ausgerechnet 40 Tage?Eine kurze Geschichte der Fastenzeit.“

Teil 6 – Liturgisches ABC – „Warum ausgerechnet 40 Tage?
Eine kurze Geschichte der Fastenzeit.“

Warum hat die Fastenzeit 40 Tage und hat sie überhaupt 40 Tage? Wie betrunken waren Mönche nach dem Aschermittwoch? Waren Christen nicht nur im Osten sondern auch im Westen früher Teilzeitveganer? Und was würde Martin Luther zum Fasten sagen? Ein Paar Fragen, die uns leiten sollen.
Der Kirchenvater Irenäus, der kurz nach dem Jahr 200 starb, erwähnt in einem Brief an Papst Viktor I. verschiedene Formen der Vorbereitung auf das Osterfest. Manche, so schreibt er, fasteten einen Tag, manche zwei, manche 40 Stunden. Damit meint er wohl einen völligen Nahrungsverzicht. Nach einer bestimmten Leseart desgleichen Textes und seiner lateinischen Übersetzung, soll dann sogar die 40 tägige Fastenzeit zurück auf die Überlieferung der Apostel selbst zurückgehen. Etwas mehr als 100 Jahre nach Irenäus, also zu Beginn des vierten Jahrhunderts, hatten sich die 40 Tage offensichtlich allgemein durchgesetzt, denn sie werden eher beiläufig und daher als selbstverständlich beim Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) erwähnt.

Wie genau die 40 Tage zu rechen waren und wann sie begannen schien jedoch noch lange unterschiedlich ausgelegt zu werden. Kirchenvater Athanasius der Große ruft etwa seine Gläubigen auf, schon in den 40 Tagen vor der Karwoche, zu fasten. In der Karwoche selbst sollte dann noch strenger verzichtet werden. Noch im 13 Jahrhundert erklärt Bischoff Durandus von Mende, dass man in seiner Region, der Provence, am Montag vor dem Aschermittwoch zu fasten beginne, denn Karfreitag und Karsamstag selbst, sei nicht Teil der 40 tägigen Fastenzeit, sondern gesonderte, besonders feierliche, zusätzliche Fasttage.
In den westlichen Kirchen gilt heute, dass die Fastenzeit mit dem Aschermittwoch beginnt und 46 Tage dauert. Da man an den sechs Sonntagen der Fastenzeit nicht fastet, weil sie als Sonntag quasi „Miniosterfeste“ sind, kommt man bis zum Karsamstag damit dann auch genau auf 40 Fasttage.
Die östlichen Kirchen, wie die Orthodoxe Kirche, beginnen die große Fastenzeit hingegen schon früher, weil hier auch die Samstage vom Fasten ausgenommen werden. Acht Wochen braucht man daher um dort auf die 40 Tage vor Ostern zu kommen.
Warum aber überhaupt 40 Tage? Das einfachste wäre hier auf die Zeit zu verweisen, die Jesus selbst nach der Taufe im Jordan, in der Wüste gefastet hat: 40 Tage. Nachdem Jesus den Jüngern des Johannes später ausrichten lässt, dass seine Jünger auch fasten werden und zwar dann, wenn ihnen der Bräutigam genommen sein wird, ist es durchaus passend dass sich die Christen für die Dauer ihrer Fastenzeit an ihrem Meister orientieren. Die 40 Tage die Jesus gefastet hatte, wurden also zum Vorbild für die Länge der Bußzeit vor dem höchsten Fest der Christenheit.

Aber die 40 Tage, die Jesus in der Wüste verbracht hatte, kamen auch nicht von irgendwo her. Die Zahl 40 erscheint nämlich ungefähr 150 mal in der Bibel und mit dieser Zahl schwingen bedeutsame Ereignisse der Heilsgeschichte mit. Ein kleiner Auszug: Da sind die 40 Tage der Flut. 40 Jahre, die das Volk Israel durch die Wüste ziehen muss. Die 40 Tage, die Mose auf dem Berg Sinai verbringt. Der Prophet Elija geht nach schweren Depressionen 40 Tage und 40 Nächte zum Berg Horeb, um Gott zu begegnen. 40 Tage ruft der Prophet Jona die Stadt Ninive zur Umkehr auf. 40 Tage lag der Prophet Ezechiel auf seiner rechten Seite, um die Sünden einer ganzen Generation des Volkes Judas auf sich zu nehmen. Goliath verhöhnte David 40 Tage lang. David, der übrigens 40 Jahre König war, wie vor ihm Saul und nach ihm Salomo. Das sind nur einige Beispiele und wenn wir sie betrachten fallen zwei Dinge auf: 40 Tage haben oft mit einer Bewährung, einer Prüfung, einer Zeit der Umkehr und des Neubeginns zu tun. 40 Jahre hingegen entsprechen nach damaligem Verständnis einer kompletten Generation und ihrem Wechsel. Ist es ein Zufall dass zwischen dem am häufigsten angenommenen Todesjahr Jesu im Jahr 30 und der Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahr 70, genau 40 Jahre vergangen sind?
Soviel also zu den Ereignissen, die alle auf ihre Weise mit den 40 Tagen Jesu in der Wüste und damit auch unseren eigenen 40 Tagen der Fastenzeit mitschwingen. Genug aber zur Dauer.

Zur geschichtlichen Prägung der Fastenzeit kann man anmerken, dass diese im Vergleich zu heute im Westen verbreiteter Praxis, früher meist wesentlich strenger war. In vielen Klöstern, aber auch außerhalb davon, aß man nur einmal am Tag und zwar nach der Vesper, dem Abendgebet der Kirche.
Das ist übrigens der Grund warum man in der Fastenzeit kräftige Biere gebraut hat. Die Mönche mussten ja immer noch ihre Arbeit verrichten und weil „Flüssiges“ das Fasten nicht brach, waren Fastenbiere wertvolle Energielieferanten. Aber entgegen dem, was sich manche jetzt denken und sich dabei betrunkene Mönche vorstellen, hatten diese Biere keinen sehr hohen Alkoholgehalt. Ein solcher wurde erst viel später durch die Züchtung besonderer Hefestämme und die Verfeinerung der Brautechnik möglich. Was den Speiseverzicht selbst betraf, schrieb etwa Papst Gregor zu Beginn des siebten Jahrhunderts, dass wir uns von Fleisch und allen Dingen, die von Fleisch kommen, wie Milch, Käse und Eier enthalten. Lebten die Christens dann als Veganer in Teilzeit? Nicht komplett, denn meist wurden Ausnahmen für Fisch und nach einiger Diskussion auch für andere Wassertiere gewährt. So viel zur Geschichte und zu alten kirchlichen Praxis, was die Fastenzeit betrifft.

Martin Luther und die Reformatoren lehnten das Fasten nicht ab. Im Zusammenhang mit dem Altarsakrament, begrüßten sie es sogar als eine Art der äußeren Vorbereitung auf den Kommunionempfang. Im 4. Artikel zum Heiligen Altarsakrament ist im Kleinen Katechismus Martin Luthers auf die Frage: „Wer empfängt denn solch Sakrament würdiglich?“ zu lesen: „Fasten und leiblich sich bereiten ist wohl eine feine äußerliche Zucht.“ Auch wenn im Blick auf das ewige Heil, auf die Rechtfertigung des Sünders vor Gott, dem Fasten, wie auch allen anderen guten Werken keine ausschließliche Bedeutung zuerkannt werden kann (sola gratia – allein durch die Gnade), gehörte das Fasten neben der Buße bzw. Beichte also schon immer mit zur evangelisch-lutherischen Glaubenspraxis dazu. Es lohnt sich also auch für evangelische Christen das Fasten neu zu entdecken: Als eine Möglichkeit, eine spirituelle Zeit zu gestalten, um Gott zu begegnen.


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