Teil 7 – Liturgisches ABC – Der Kreuzweg
Am Anfang steht immer die Sehnsucht. Bei den Kreuzwegen ist es die Sehnsucht danach, dem Leidensweg Jesu auf besondere Weise nahe zu kommen.
Deshalb entstand im 12./ 13. Jh. – es ist die Zeit der Kreuzzüge – in Jerusalem ein Stationenweg vor den Wallfahrtskirchen: die Via Dolorosa.
Dabei griff man auf alte Spuren zurück – von Pilgern, die sich schon im Altertum immer wieder auf den Weg machten, um betend und singend die Orte des Leidens und Sterbens ihres/ unseres Herrn nachzugehen.
Dahinter stand das Bestreben, die Ereignisse um das Leiden und Sterben Christi möglichst plastisch vor Augen zu haben.
Das lag in der Luft: Die Christianisierung war abgeschlossen (9.Jh.), eine Schaufrömmigkeit wächst; das sind die Jahre, in denen Franziskus die Krippe erfindet, Wallfahrten aufkommen, die christliche Mystik an Fahrt gewinnt.
In seinen Anfängen bot der Jerusalemer Kreuzweg auf historischem Boden eigentlich nur zwei Stationen – als Startpunkt: die Verurteilung beim Haus des Pilatus, und den Endpunkt an der Stätte der Kreuzigung und Grablegung in der Grabeskirche.
Aber nach und nach entstanden weitere Stationen, wurde der Weg ausgeschmückt: teilweise wurde hier die biblische Überlieferung „lokalisiert“ (Verurteilung, Geißelung, Simon von Cyrene, Kreuzigung), teils wurden Legenden, mündliche Überlieferungen und fromme Geschichten eingewoben (das dreifache Zusammenbrechen Jesu, die Gestalt der Veronika, die Begegnung mit den weinenden Frauen, die Annagelung ans Kreuz, Jesu Leichnam im Schoß seiner Mutter).
Aus dem Hlg. Land zurückgekehrte Pilger legten zuhause Nachbildungen der Heiligen Stätten in ihrer Heimat an – zur Erbauung derer, die nicht nach Jerusalem kamen, und sich geistig auf den Leidensweg Jesu Christi begeben wollten. Oftmals übertrugen sie exakt die Länge der Via Dolorosa auf ihren heimischen Kreuzweg – gleichsam als Imitation, legten eine Strecke an, die einen Berg hinaufführt (Schädelhöhe), lokalisierten als Ziel nicht selten einen Kalvarien- bzw. Golgathaberg, krönten ihn mit einer Grabeskirche oder Kreuzigungs-Darstellung.
Gott offenbart sich in jeder Form von Liturgie – beginnend beim einfachen Gebet bis hin zur Feier eines Gottesdienstes, einer Messe. Liturgie heißt immer Eintauchen in die Heilsgeschichte – Vergegenwärtigung. Verheutigung.
Es gibt in unserem Liturgieverständnis keine erste Reihe: Die Jünger, die Apostel, die Menschen, die Christus kennenlernen konnten, hatten nicht etwa die Gnade der frühen Geburt. Und zu ihrer Zeit war das Heil nicht frischer, intensiver, wirksamer, als heute.
Gottes Heilsplan gilt auch heute für alle Menschen und das über die Zeiten hinweg. Und vor allem: Gottes Heilsplan gilt ganz persönlich.
Der Kreuzweg ist eine besondere Form der Liturgie, bei der es um Beziehung geht, um Kommunikation, um einen Prozess. Hier kommt uns Gott in unserem Leben entgegen, während wir selbst auf dem Weg sind. Es geht dabei also um zwei Bewegungen: Ich tauche ein in ein liturgisches Geschehen, das betende Betrachten des Kreuzweges. Und Gott kommt mir darin entgegen, offenbart sich mir, tritt in einen Dialog mit mir: Im leidenden Christus, aber auch in der Vergegenwärtigung meines eigenen Kreuzweges. In der Verwandlung meines Leids, in der Offenbarung seines Heiles. So begehen Christen den Kreuzweg auf eine Weise, als ob sie Jesus in den Straßen Jerusalems folgen würden, indem sie an jeder Station meditieren und beten, aber auch als ob Gott selber ihren eigenen Kreuzweg mitgeht.
So lässt sich der eigene, mitunter leidvolle Lebensweg als eine Form der Christusnachfolge begreifen.
(Text entnommen und bearbeitet: www.jugendkreuzweg-online.de)
Aus der Not im ersten sog. Lockdown geboren, haben wir 2020 zum ersten Mal den Kreuzweg um unsere beiden Dörfer Rothenkirchen bzw. Wernesgrün aufgebaut. Hunderte von Menschen konnten so in der Kar- bzw. Osterwoche an den 14 Stationen des Weges beten und Gott erleben. Auch dieses Jahr laden wir ein den Kreuzweg zu begehen. Dieses Jahr verbindet der Kreuzweg beide Gemeinden Rothenkirchen-Wernesgrün und Schnarrtanne-Vogelsgrün, die einen Seelsorgebezirk innerhalb unseres Christuskirchspiels im Vogtland bilden. Es geht also tatsächlich in die Höhe hinauf. Als Zeichen dafür, dass man an einem Wegkreuz Station gemacht hat, lässt sich nach Möglichkeit am jeweiligen Kreuz ein eigener Stein ablegen.